Intelligente Materialien für die Medizintechnik

Bereits zum vierten Mal hat die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM) das European Symposium on Intelligent Materials durchgeführt. Mitte Juni diskutierten hier rund 120 internationale Experten über aktuelle Anwendungsmöglichkeiten und Zukunftstrends der Materialentwicklung. Die Tagung wurde vom Sonderforschungsbereich 1261 („Magnetoelectric Sensors: From Composite Materials to Biomagnetic Diagnostics“), dem Graduiertenkolleg 2154 („Materials for Brain") und der Forschungsgruppe FOR 2093 („Memristive Bauelemente für neuronale Systeme”) in Zusammenarbeit mit der DGM organisiert. Intelligente Materialien sind in der Lage, sich an ihre Umgebung anzupassen und dadurch zum Beispiel autonomer, energieeffizienter oder verträglicher für den menschlichen Körper zu agieren. Ihnen kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung innovativer Bauteile für Medizintechnik und Industrie zu. Sie können sich bei Beschädigungen selbst reparieren, nehmen nach Verformungen wieder ihren ursprünglichen Zustand an oder erzeugen eigenständig Energie. Auch an der CAU wird seit langem an solchen Materialien geforscht, zum Beispiel an speziellen Sensoren zur Messung der Herz- und Gehirnaktivität oder an neuartigen Implantaten zur Behandlung von Gehirnerkrankungen wie Epilepsie.

Faszinierende Eigenschaften bieten großes Anwendungsspektrum

Intelligente Materialien sind im Allgemeinen so aufgebaut, dass sie selbständig auf äußere Reize wie Licht, Temperatur, elektrische oder magnetische Felder oder chemische Veränderungen reagieren können. Ihre besonderen Eigenschaften verdanken die dementsprechend auch als „responsiv“ bezeichneten Werkstoffe in der Regel der Kombination von verschiedenen Materialklassen oder bestimmten Nanostrukturen. Beides kann auch an der CAU hergestellt werden, zum Beispiel im Reinraum des Kieler Nanolabors. 
„In der Entwicklung neuer Materialien ist in den letzten Jahren unglaublich viel passiert. Aus neuen Materialien hergestellte Bauelemente können heutzutage zu einem gewissen Grad eigenständig funktionieren und besitzen mit ihren faszinierenden Eigenschaften immense Anwendungspotentiale, in Bereichen wie Medizin, Technik oder Energie“, sagt Christine Selhuber-Unkel, Professorin für Biokompatible Nanomaterialien und Sprecherin des GRK 2154. Sie organisiert die Tagung zusammen mit Eckhard Quandt, Professor für Anorganische Funktionsmaterialien an der CAU und Sprecher des SFB 1261. „So ein Forschungsgebiet ist insbesondere auf den intensiven Austausch verschiedener Disziplinen angewiesen, um neue Forschungsfragen und gemeinsame Projekte anzustoßen“, so Selhuber-Unkel weiter. Auf der Konferenz präsentierten Forscher aus der Materialwissenschaft, Physik, Chemie und Biologie ihre aktuellen Forschungsergebnisse. 
Außerdem umfasste das Tagungsprogramm einen Netzwerkabend für Nachwuchswissenschaftler sowie ein interaktives Format speziell für Frauen, in dem sich junge Wissenschaftlerinnen mit erfahrenen Kolleginnen über Karrierethemen austauschen können. Ein wichtiges Ziel der Tagung war auch die Förderung von deutsch-norwegischen Kooperationen im Bereich biofunktionaler Materialien, also Materialien, die von der Natur inspiriert wurden oder durch ihre Struktur besonders verträglich für den menschlichen Körper sind – zum Beispiel in der medizinischen Anwendung. Auch Selhuber-Unkel forscht unter anderem an Materialien, die das Wachstum von Zellen fördern und so die eigenständige Regeneration von Gewebe unterstützen könnten. Ein Programmabschnitt widmete sich gezielt diesen Kooperationen, gefördert vom Deutsch-Norwegisches Studienzentrum der CAU.

Materialien fürs Gehirn: Werkstoffforschung in Kiel

Kiel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum für innovative Materialforschung entwickelt, vor allem im Hinblick auf medizinische Anwendungen. So werden an der CAU im Sonderforschungsbereich 1261 „Magnetoelectric Sensors: From Composite Materials to Biomagnetic Diagnostics“ zum Beispiel piezoelektrische Materialien erforscht und für die Entwicklung spezieller Sensoren genutzt. Werden diese Werkstoffe elastisch verformt, erzeugen sie eine elektrische Spannung. Kombiniert mit Materialschichten, die auf magnetische Reize reagieren, lassen sie sich besonders gut für empfindliche Magnetfeldsensoren einsetzen, mit dem Ziel Herz- oder Gehirnströme messen und damit die medizinische Diagnostik verbessern zu können.
Interdisziplinäre Teams aus der Materialwissenschaft und der Medizin erforschen im GRK „Graduiertenkolleg 2154 „Materials for Brain” neue Materialien für Implantate, um Gehirnerkrankungen wie zum Beispiel Epilepsie lokal zu behandeln. Sie sollen Medikamente kontrolliert nur dort freisetzen, wo sie benötigt werden und so unerwünschte Nebenwirkungen verhindern. Die dafür verwendeten Materialien müssen komplexe Anforderungen erfüllen: Sie sollen gleichzeitig belastbar und flexibel sein, um sich an die besondere Umgebung im Gehirn anzupassen und in bestimmten Arealen selbständig Wirkstoffe abgeben zu können. 
Wie Lern- und Gedächtnisprozesse des menschlichen Gehirns im Einzelnen ablaufen, das untersucht die Forschungsgruppe 2093 „Memristive Bauelemente für neuronale Systeme“. Wissenschaftler aus der Neurologie über die Materialwissenschaft bis zur Nanoelektronik wollen diese Prozesse technisch nachbilden, um sie besser zu verstehen. Der Schlüssel dafür sind sogenannte memristive Bauteile, die in der Lage sind, elektrische Zustände zu speichern. Sie funktionieren ähnlich der Synapsen im Gehirn, die Prozesse speichern, die beim Verknüpfen von Informationen ablaufen. Quelle: Nachricht medtech-zwo vom 01.07.2019, https://medtech-zwo.de/aktuelles/nachrichten/nachrichten/intelligente-materialien-fuer-die-medizintechnik.html

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