KI für die Therapie von Bewegungsstörungen

Das Forschungsprojekt KIBA wird mit 1,34 Millionen Euro gefördert

Mithilfe von KI-gestützter Analyse und Reha-Robotik will ein Lübecker Forschungsteam Menschen helfen, die nach einem Unfall, nach neurolo­gischen Erkrankungen oder durch Long Covid Bewegungsprobleme haben.

Passend zum Namen des geförderten Projekts: Der Staatssekretär war mit dem Nummernschild KI-BA angereist - Uni-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Chef der Staatskanzlei Dirk Schrödter, Prof. Dr. Marcin Grzegorzek und Prof. Dr. Kerstin Lüdtke (v.l.n.r.; Foto: Guido Kollmeier / Universität zu Lübeck)

Für gesunde Menschen sind Bewegungen wie Aufstehen oder Laufen alltäglich. Sind die Sinne jedoch gestört, ist der Bewe­gungsablauf beeinträchtigt. Zu den Auslösern solcher Beeinträchtigungen gehören Unfälle oder neurologische Erkrankungen wie z.B. Schlaganfälle, aber auch Long Covid. Für eine erfolgreiche Therapie und individuell anpassbare Thera­piegeräte sind umfangreiche Messungen der Patienten­bewegungen erforderlich. Diesen Messverfahren und Bewegungsanalysen widmen sich Forschende der Universität zu Lübeck mithilfe der neuen Forschungsinfrastruktur für „KI-unterstützte Bewegungsanalyse und -therapie (KIBA)“. Aus dem Programm zur Förderung anwendungsorientierter Forschung, Innovationen und Technologietransfer erhält das Forschungs­projekt 1,34 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Aufbaufonds für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas (REACT-EU) im Rahmen des Operationellen Programms des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Am 4. März überreichte Staatssekretär Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei, den Förderbescheid an Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck, und an Professor Marcin Grzegorzek vom Institut für Medizinische Informatik.

„In der medizinischen Forschung entstehen durch Künstliche Intelligenz ganz neue Behandlungsmethoden und damit verbunden neu wirtschaftliche Perspektiven für unser Land. Hierfür wollen optimale Rahmenbedingungen schaffen. Eine Grundlage dafür ist der bereits vorhandene starke Verbund der Medizininformatik und -technik in Lübeck. Mit der finanziellen Förderung für KIBA unterstützen wir ein weiteres Puzzleteil für unseren starken Medizin-KI-Leuchtturm hier am Standort. Es freut mich zu sehen, was hier wächst und gedeiht“, sagte Staatsekretär Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei. Die gute Zusammenarbeit zahle sich aus: Auch die noch junge Erforschung von Long Covid könne mit diesem Projekt und mit Hilfe von KI weiter vorangebracht werden. „Die Langzeitfolgen dieser Krankheit sind enorm. Genau hier setzt die Lübecker Forschung an. Daher ist das Projekt KIBA so vorbildlich und wegweisend“, so Schrödter.

Sechs Institute der Universität zu Lübeck arbeiten gemeinsam, um das Vorhaben umzusetzen. Ein Forschungslabor soll auf dem Lübecker Campus in der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik (IMTE) installiert werden. Auch die neue Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) wird an dem Projekt beteiligt sein.

„Der Forschungsbereich Künstliche Intelligenz und Gesundheit ist ein zentraler Schwerpunkt an der Universität zu Lübeck. Ich freue mich über die Unterstützung für das Projekt ,KI-unterstützte Bewegungsanalyse und –therapie‘ (KIBA), in dem Forschende interdisziplinär zusammenarbeiten. Im Fokus steht dabei, das Leben von Patientinnen und Patienten mit Hilfe von KI zu verbessern. Auf unserem Campus haben wir mit unseren Partnern vom DFKI und Fraunhofer beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Forschungsvorhaben“, sagte Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck.

Prof. Marcin Grzegorzek vom Institut für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck leitet das Projekt, er sagt: „Die bereits existierende technische Ausstattung und Erfahrung im medi­zinischen Umfeld war die Grundlage für das neue Forschungs­vorhaben. Wir werden im geplanten Labor die Kompetenzen aus den Bereichen Informatik und Gesundheits­wissenschaften bündeln und durch die vorhandene physio­therapeutische Expertise im Bereich der Ganganalyse und Gangtherapie auf ein stabiles Fundament stellen. Somit sehe ich beste Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung und langfristige Nutzung der beantragten Forschungsinfrastruktur.“

An der Universität zu Lübeck sind beteiligt das Institut für Medizinische Informatik, die Einrichtung Open Lab for Robotics and Imaging in Medicine, Institut für Medizinische Elektro­technik, das Institut für Gesundheitswissenschaften / Fachbereich Physiotherapie, das Institut für Allgemeinmedizin sowie das Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie.

Bisherige Ansätze zu dem Thema fokussieren die Beobachtung der durchgeführten Bewegungen der Patienten. Werden die Bewegungen jedoch nur visuell oder durch Kräftemessung erfasst, bleiben viele Informationen außer Acht. Die For­schungsinfrastruktur KIBA verfügt deshalb zusätzlich über neue Messmodalitäten, welche die tatsächlichen Muskelkon­traktionen direkt am Patienten erfassen können. Hiermit soll an Wegen zur Vorhersage über Wirkung und Effizienz angepasster Therapieverfahren geforscht werden.

Das Ziel des Projektes ist der Aufbau einer Forschungsin­frastruktur zur ganzheitlichen Bewegungsanalyse und Therapieoptimierung basierend auf KI-gestützter Reha-Robotik. Der Fokus liegt auf dem Gehen, aber auch andere hochkomplexe Bewegungsabläufe wie Aufstehen und Treppensteigen werden in den Blick genommen. So werden Böden, Treppen, Sitz- und Stützvorrichtungen der For­schungsumgebung mit Sensoren zur Bewegungsmessung ausgestattet. Mittels optischer Projektoren soll die Umgebung zudem in eine virtuelle Realität verwandelt werden können. So können umfangreiche Informationen gesammelt, die Bewe­gungen analysiert und therapiemaßnahmen individuell berechnet werden. Herzstück dieser Infrastruktur werden zwei 3D-Gangentlastungssysteme. Sie sollen für Patientenstudien und die intelligente Regelung der Bewegungen genutzt werden. Damit sollen neue Diagnostik- und Therapieverfahren inklusive der dazu benötigten Geräte entwickelt werden. Diese sollen dabei individuell auf das Körpergewicht und das Ausmaß der Beein­trächtigung unterschiedlicher Patientengruppen angepasst werden können. Für Patienten bedeuten derart verbesserte Therapiemöglichkeiten perspektivisch positive und motivierende Bewegungserfahrungen und damit Aussicht auf größere und schnellere Therapieerfolge.

Für Dr. Ronny Marquardt, WTSH-Teamleiter Innova­tionsförderung steht sowohl die Aktualität der Forschungs­infrastruktur als auch deren zukunftsweisendes Potenzial im Vordergrund: „Die Pandemielage und die daraus resultierenden Folgen machen verbesserte patientenindividuelle physio­therapeutische Diagnostik- und Therapie-Lösungen notwendig. Neben der gesundheitlichen Belastung wird die Zuspitzung des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen zum wachsenden Problem und kann mittelfristig nur durch Entlastung mittels technischer Lösungen oder schnellerer Therapieerfolge abgemildert werden.“

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