UKE-Chef Christian Gerloff: Der Brainstormer

UKE-Chef Christian Gerloff: Der Brainstormer

Der Arzt und Gehirn-Bildgebungsspezialist Christian Gerloff hat im Januar 2023 die Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) übernommen. Er will die Zukunft eines der modernsten Krankenhäuser in Europa mit mehr als 14.000 Mitarbeitenden gestalten. Zu seinen wichtigsten Zielen gehört es, die Digitalisierung und die zukünftige Entwicklung des Campus voranzutreiben – inklusive KI-Technologien.

Chancen der Digitalisierung optimal nutzen

Christian Gerloff hat in seinem frisch bezogenen UKE-Vorstandsbüro gleich neben seinem Schreibtisch eine riesige digitale Wandtafel anbringen lassen. „Das ist ein Smart Brainstorming Tool, vor dem man Köpfe zusammenstecken kann oder sich Organigramme und Projekt-Zeitstrahls grafisch erschließen und umgestalten kann“, sagt Gerloff. Ein Knopfdruck genüge und die Ideen seien als Grafik abgespeichert. „So zu arbeiten, finde ich attraktiv.“ Die Zukunft des sich dynamisch entwickelnden UKE-Campus gestalten, das Universitätsklinikum für die Menschen, die hier arbeiten und studieren, attraktiv machen und die Chancen der Digitalisierung optimal nutzen.

Das sind die wichtigsten Ziele, die sich der 59-jährige Gerloff in seiner neuen Position als Ärztlicher Direktor des UKE und Vorstandsvorsitzender gesetzt hat. Der 59-jährige Gerloff ist seit 1. Januar offiziell Medizinischer Direktor des UKE und Vorstandsvorsitzender. Und damit Lenker einer der modernsten Kliniken Europas mit mehr als 14.000 Mitarbeitenden. Ein Klinikum, dass er gut kennt und dessen Dynamik er schätzt: Seit 2006 war er bereits Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Leiter des Kopf- und Neurozentrums des UKE. Auch im Management des UKE ist er erfahren: Seit 2013 war er Stellvertretender Ärztlicher Direktor.

Das UKE treibt die moderne Hochschulmedizin voran. Wir wollen sowohl digital als auch strukturell neue Maßstäbe setzen.

Prof. Dr. Christian Gerloff
Ärztlicher Direktor des UKE Hamburg-Eppendorf

Spezialist für die Schlaganfall-Diagnostik

Nach dem Medizinstudium in Freiburg und Wien wollte Gerloff eigentlich Unfallchirurg werden, begeisterte sich dann aber während seiner tierexperimentellen Doktorarbeit und Facharztausbildung an der Universitätsklinik in Tübingen endgültig für die Neurologie. Ein Booster für Gerloffs Karriere waren drei Jahre als Postdoc bei den National Institutes of Health (NIH) in Bethesda bei Washington, in denen er sich auf systemische Neurowissenschaften und Bildgebung des Gehirns konzentrierte: „Ich schätzte hier vor allem die patientennahe Forschung, das war eine sehr produktive Zeit“, erinnert sich Gerloff. Nach mehreren Jahren als Oberarzt in Tübingen, in der zu einem Spezialisten für die Diagnostik und Therapie von Schlaganfall wurde, kam Gerloff 2006 dann als W3-Professor ans UKE, wo er sich insbesondere mit Neuroimaging und der Neurostimulation beschäftigte.

„Ich bin mit Herz und Seele Kliniker und arbeite gerne mit Patientinnen und Patienten“, sagt Gerloff. Seit er in Hamburg ist, möchte er besonders die medizinische Translation vorantreiben. Als Gamechanger seiner Karriere bezeichnet er die WAKE-UP-Studie, ein großes europäisches Forschungskonsortium, dessen Ergebnisse im Jahr 2018 die Behandlung von Schlaganfall-Patienten mit unbekanntem Symptom-Beginn revolutioniert haben. „Das war super interdisziplinäres Teamwork und so etwas wie der Heilige Gral in der Schlaganfallmedizin: In kürzester Zeit wurden die internationalen Behandlungsleitlinien geändert“, sagt Gerloff.

Bis heute fasziniert ihn, wie dynamisch und anpassungsfähig selbst das erwachsene Gehirn ist. „Dieses plastische Potenzial eröffnet uns Chancen, neue therapeutische Wege zu gehen“, sagt er. „Zudem haben wir moderne Methoden, die uns helfen, diese komplexen Netzwerke im Gehirn zu begreifen.“

KI-basiertes Frühwarnsystem für Hirndruckkrisen

Zu diesen Methoden zählt für Gerloff auch Künstliche Intelligenz. Sein Team hat kürzlich mit 2,5 Millionen Datenpunkten einen KI-Algorithmus trainiert, der künftig auf Intensivstationen als Warnsystem eingesetzt werden kann: Das System kann durch die Analyse komplexer Daten drohende Hirndruckkrisen erkennen und schlägt bereits Stunden davor Alarm. Einen Demonstrator gibt es bereits.

Neben solchen Frühwarnsystemen in der Intensivmedizin könnten KI-Assistenzsysteme auch bei Verdachtsdiagnosen in der Erstdiagnostik helfen, sagt Gerloff. Außerdem könne KI dabei helfen, Arbeitsabläufe und Patientenpfade in der Klinik zu optimieren.

Medizin in eine digitale Ära führen

In den kommenden Monaten werden mit dem Herzzentrum, dem Campus Forschung II und der Martini-Klinik gleich drei große Neubauten fertig als Teil des UKE Zukunftsplans 2050. „Hier gilt es, die Campusentwicklung mit der Optimierung von Prozessen zu verknüpfen.“

Im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit sei es entscheidend, dass Wege gefunden werden, wie die verschiedenen Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen beim Datenfluss und der Datenpräsenz an einem Strang ziehen können. „Hier müssen wir auch konstruktive Lösungen mit den Datenschutz-Regulatoren finden“, sagt er. „In dieser Hinsicht würde ich mir mehr Rückenwind wünschen“, sagt der passionierte Segler. „Die Hoffnung ist, dass uns das transformiert in eine digitale Ära, in der wir Medizin ganz anders leben können.“

Text: Philipp Graf

Beitragsbild: © Philipp Graf

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